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  • AutorenbildEveline

Meine Reue im Wandel der Zeit (2)

Babyjahr


Alles hat irgendwann ein Ende - so auch die ersten 12 Wochen mit einem neuen Baby, die allgemein als herausforderndste Zeit beschrieben werden.


Rückblickend muss ich sagen, dass diese 12 Wochen für mich tatsächlich die schlimmsten Wochen meiner Mutterschaft waren. Es waren Wochen in denen ich gar kein Licht am Ende des Tunnels sah. In denen Schlafmangel, Überreizung durch das viele Geschrei, Überforderung ob der neuen Aufgabe und Hilflosigkeit ob der plötzlichen nie enden wollenden Zweisamkeit mit diesem kleinen Wesen sich die Klinke in die Hand gaben. Wochen in denen ich nur funktionierte. Wochen in denen ich entschied lieber nicht mehr fühlen zu wollen.


Der Gedanke daran, dass es danach besser werden würde hielt mich in dieser Zeit aufrecht. Ich zählte im Geiste die Tage und Wochen bis dieser erste magische Meilenstein erreicht war ab dem angeblich alles anders wurde. Schließlich war er eines Tages endlich erreicht und ich war vor allem eines: Enttäuscht. Denn der große Knall, den ich mir ausgemalt hatte, blieb aus - auch wenn sich in einigen Aspekten tatsächlich Verbesserungen ergaben.


Das Schreien ließ nach und nahm mir eine Last von der Schulter. Das Baby hatte in einen Dreistunden-Schlafrhythmus nachts gefunden, der mir zumindest eine gewisse Planbarkeit gab. Ähnlich war es bei den Tagesschlafphasen. Eine gewisse Routine schlich sich ein, ich wurde erfahrener, die Unsicherheit nahm ein wenig ab.

Aber dennoch war da diese allumfassende Last, die mir wie ein schwerer Mühlstein weiterhin um den Hals hing und mir die Luft zum Atmen abschnürte. Dennoch verspürte ich kein Glück und empfand meinen neuen Alltag, mein neues Leben als belastend. Mutter eines Babys zu sein war für mich eine Bürde. Eine extrem anstrengende, verantwortungsvolle Aufgabe, die mir so gar keinen Spaß machte und bei der sich nahezu jede einzelne Minute schwer und anstrengend anfühlte. Die mich einengte, mir die Luft zum Atmen nahm und aus der es kein Entrinnen gab.


Ich fühlte mich gefangen. Und auch wenn ich für meine kleine Gefängniswärterin mit der Zeit immer mehr Liebe empfand, so empfand ich doch auch allzu oft eine unendliche Wut auf sie. Wut darüber, dass sie mir mein Leben weggenommen hatte, dass sie mich hier gefangen hielt, während mein Mann - abgesehen vom Schlafmangel und gewissen Einschränkungen - weitermachte wie bisher. Während ich zu Hause eingesperrt war und meine Welt so klein und unerträglich eng geworden war, konnte er jeden Morgen das Haus verlassen und war frei. Frei von den Verpflichtungen diesem kleinen Wesen gegenüber. Ich dagegen war niemals frei. Ich war rund um die Uhr an diesen kleinen Menschen gebunden.


Doch es gab Lichtblicke, die mir Hoffnung gaben. Tage die gut liefen, Nächte mit etwas mehr Schlaf als übrig. Kleine Schritte zu etwas mehr Freiraum für mich, wie das Fitnessstudio in dem ich mich nach 6 Monaten anmeldete. Ab da hatte ich wieder einen Abend und einen Morgen in der Woche mal zwei Stunden nur für mich. Kleine kostbare Momente, in denen ich mal nicht nur Mama war. In denen ich nicht zuständig war. Inseln, die mich durchatmen ließen und in denen ich endlich mich selbst als Individuum wieder spürte. Doch trotz all der Lichtblicke: Die meiste Zeit blieb es unheimlich schwer für mich Mutter zu sein. Ich tat meinen Dienst, doch allzu oft zählte ich schon morgens die Stunden bis endlich abends war und ein weiterer Tag vergangen sein würde. Allzu oft war ich körperlich da aber geistig völlig abwesend. Mein Kopf flüchtete sich aus diesem neuen Leben, das sich so falsch anfühlte. Ich war gelangweilt und völlig erschöpft zugleich. Fühlte mich einerseits unendlich einsam und empfand gleichzeitig die allgegenwärtige Nähe zu meinem Kind als extrem erdrückend. Das Handy war mir viel zu oft einziger Fluchtpunkt aus der Ödnis und Einsamkeit mit Kind daheim.


Als wir uns entschlossen nach zehn Monaten eine Babysitterin zu suchen rettete das, so glaube ich, unsere Ehe. Wieder regelmäßig Zeit zu zweit zu verbringen, wieder miteinander zu tanzen und ausgehen zu können, einfach mal wieder Paar zu sein und nicht nur Mama und Papa, brachte unsere Beziehung wieder zurück in eine Art Gleichgewicht. Nahm dem Neid und Frust und den unterschwelligen Vorwürfen, die aus Verzweiflung in mir schwelten, die Schärfe. Lies mich meinen Mann wieder als den Menschen sehen, den ich liebte und nicht nur als das andere Elternteil, das das bessere Los gezogen hatte.


Es ging aufwärts. Zwar in Mini-Schritten, aber dennoch voran. Die negativen Gefühle waren immer noch da. Das Gefühl des Bereuens und des Verlusts ebenso. Aber es war nicht mehr so allumfassend wie in der ersten Zeit. Es gab wieder fröhliche Momente. Momente der Liebe. Leichte Momente. Und es gab den Ausblick auf den baldigen Kitastart und meine Rückkehr in den Beruf, die mir wieder mehr "Normalität" geben würden. Mehr Zeit mit mir allein. Zeit in der ich wieder ICH war und nicht nur MUTTER.


Als der Tag der Eingewöhnung gekommen war und das Babyjahr damit fast vorbei war, war ich vor allem eines: Erleichtert. Das schlimmste war überstanden, dessen war ich mir sicher. Trennungsschmerz verspürte ich keinen - ich war dermaßen übersättigt davon Mutter zu sein, dass ich einfach nur froh war, es nun mal für ein paar Stunden nicht mehr sein zu müssen. Dass meine Tochter in der Kita regelrecht aufblühte und völlig begeistert war und die Eingewöhnung komplett reibungslos verlief, half hierbei natürlich enorm.

Mein Kind mit einem Jahr in die Fremdbetreuung zu geben war das Beste das ich für uns beide tun konnte. Ich konnte wieder atmen und wurde durch die Pausen, in denen ich nur ICH sein konnte deutlich ausgeglichener. In der Zeit, die ich dann mit ihr verbrachte, konnte ich dadurch viel zugewandter sein und war auch wirklich anwesend. Ich sah Licht am Ende des Tunnels. Ich spürte wie die Waagschale sich ganz leicht in Richtung Freude, Zufriedenheit und Glück neigte und das gab mir Kraft.


Und dennoch war mein Fazit auch zu diesem Zeitpunkt noch ganz klar: Hätte ich gewusst, was da auf mich zukommen würde, hätte ich mich niemals dafür entschieden ein Kind zu bekommen.


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