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Reue ist nicht gleich Reue



"Also nochmal würde ich das nicht so machen!"

Ein völlig normaler, gesellschaftlich akzeptierter Satz, wenn man eine bereits getroffene Entscheidung rückblickend nochmals betrachtet und als falsch bewertet:

"Also nochmal würde ich mir diese Schuhe nicht kaufen."

"Also nochmal würde ich diesen Job wohl nicht antreten."

"Also nochmal würde ich mir das in einer Beziehung nicht gefallen lassen."


Doch sage ich:


"Also nochmal würde ich nicht Mutter werden wollen!", dann wird es schwierig.

Dann fängt mein Gegenüber an zu schlucken und hält ungläubig die Luft an.

Weil Reue nicht gleich Reue ist. Weil es gesellschaftlich akzeptierte und gesellschaftlich geächtete Reue gibt. Wir dürfen so ziemlich alles bereuen - außer ein Kind in die Welt gesetzt zu haben.


Der Begriff Reue beschreibt ein Gefühl "des tiefen Bedauerns über etwas, was nachträglich als Unrecht, als [moralisch] falsch empfunden wird" (Definition Duden). Ein Gefühl und somit eine Momentaufnahme.

Wenn ich also darüber spreche, das Gefühl zu haben die Entscheidung zu bereuen Mutter geworden zu sein, dann ist das eine Momentaufnahme meiner aktuellen Gefühlswelt - ohne Anspruch auf Dauerhaftigkeit oder Absolutismus.

Ich kann es heute bereuen Mutter geworden zu sein und morgen nicht mehr.

Ich kann Tage haben, in denen ich mich in der Mutterrolle wohl fühle und welche, in denen ich es nicht tue.

Ich kann sagen: Ich bereue die Mutterschaft (in Summe) und dennoch nicht alles daran schlecht finden.


Ich habe oft das Gefühl, Reue wird im Falle der bereuten Mutterschaft einerseits deshalb so sehr stigmatisiert, weil sie natürlich immer einen anderen Menschen unmittelbar betrifft - nämlich das Kind/die Kinder. Obwohl mit der Aussage, dass man es bereut Mutter geworden zu sein eben nichts über die Beziehung zum Kind ausgesagt ist. Obwohl man deshalb nicht automatisch eine schlechtere Mutter ist - was einem aber gerne damit unterstellt wird, da die Gefühle der betroffenen Person und ihr angenommenes Handeln wild miteinander vermischt werden.

Andererseits aber wird meiner Meinung nach bereute Mutterschaft auch deshalb stigmatisiert, da mit ihr sofort eine Endgültigkeit verbunden wird. Sagt man, man bereut es Mutter geworden zu sein, so wird automatisch angenommen, dass dieses Gefühl nun auch für immer so bleiben wird.

Das kann aber niemand gesichert sagen, da die Mutterschaft ja weiter andauert und sich das Empfinden durch Einflüsse jeglicher Art ja gegebenenfalls auch ändern kann. In anderen Bereichen käme einem wohl auch nicht in den Sinn anzunehmen, dass die-/derjenige, die/der seinen letzten Jobwechsel bereut, das automatisch für immer so tun muss: Was, wenn sich die Gegebenheiten beim Arbeitgeber ändern und das Fazit zum Beispiel in zwei Jahren nun in Summe doch anders ausfällt? Würde da jemand auch nur mit einer Wimper zucken, wenn dann plötzlich doch keine Reue mehr verspürt wird, ob der Entscheidung? Bei bereuter Mutterschaft schon, denn dann wird einem gleich unterstellt, dass es dann ja wohl doch keine "richtige" Reue gewesen sein kann.


Worauf es bei der Definition von #regrettingmotherhood meiner Meinung nach einzig und allein ankommt, um eben auch die Unterscheidung zu ambivalenten Gefühlen zu treffen, ist das Fazit welches ich ziehe, wenn ich meine Gedanken und Gefühle zur Mutterschaft betrachte: Überwiegt das Positive oder das Negative?

Fühlt sich die Entscheidung für mich im Nachhinein betrachtet als richtig oder falsch an? Dieses Fazit kann und wird niemand anhand eines einzelnen Tages ziehen, sondern immer in der Betrachtung eines längeren Zeitraums der Vergangenheit. Aber dieses Fazit ist eben auch nur eine Momentaufnahme und kann sich in der Zukunft verändern. Es ist nicht absolut.


Und das finde ich ganz wichtig: Nur weil ich mir eingestehe, dass ich es jetzt bereue Mutter geworden zu sein, heißt das nicht, dass ich damit eine Tür hinter mir schließe, die ich nie wieder werde öffnen können. Keiner kann sagen, was die Zukunft bringt und wie unser Fazit an einem anderen Tag in unserem Leben ausfallen wird.

Warum mir das so wichtig ist? Weil es dem Thema in meinen Augen ein wenig die Schwere nimmt, das Tabu ein wenig aufbricht, wenn wir uns alle bewusst machen, dass mit dem Zulassen der Erkenntnis, dass man die Mutterschaft bereut, nichts darüber ausgesagt ist, was das für die Zukunft bedeuten wird.


Und weil mir zwar bewusst ist, dass es sinnvoll ist bereute Mutterschaft von ambivalenten Gefühlen abzugrenzen, um sich darüber bewusst zu werden, dass es eben beide Varianten gibt, ich aber dennoch denke, dass es idealerweise egal sein sollte ob und wenn ja in welche der beiden Kategorien man als betroffener Mensch fällt. Weil das komplette Gefühlsspektrum endlich akzeptiert und normalisiert werden sollte. Egal ob das Fazit nun in Summe ins Negative oder ins Positive tendiert. Egal zu welchem Zeitpunkt meines Lebens oder für wie lange ich so empfinde.

Das Ziel sollte nicht sein, sich die Köpfe über eine exakte Definition zu zerbrechen um ja nur alles akkurat in Schubladen stecken zu können sondern vielmehr immer und immer wieder dafür einzustehen, dass alle Gefühle zur Mutterschaft valide sind und keine Frau sich schlecht fühlen muss egal ob sie "nur" ambivalente Gefühle hat oder "sogar" ihre Mutterschaft bereut.


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