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  • AutorenbildEveline

Vereinbarkeit ?!


Als ich damals schwanger war, sah mein Plan für die nächsten Jahre gedanklich in etwa so aus:

“Ich gehe nach dem Mutterschutz für ein Jahr in Elternzeit und steige danach wieder in Teilzeit im Büro ein. Die ersten zwei Jahre etwas weniger und wenn das Kind dann im Kindergartenalter ist, stocke ich auf und schaue ob ich eventuell sogar Vollzeit arbeiten kann. Denn das Kind ist dann ja schon größer, braucht mich nicht mehr so sehr und geht ja dann in den Kindergarten.” Ich war fest davon überzeugt, dass auch mit Kind alles möglich ist, wenn man es als Frau nur will. Vielleicht sogar Karriere machen.


Mir war ja schließlich von außen immer suggeriert worden: Hey, heute ist Vereinbarkeit von Familie und Beruf/Karriere für euch Frauen doch gar kein Problem. Schaut her, man bleibt ein Jahr daheim, dann kann Frau direkt wieder Teilzeit arbeiten, wenn sie will und sobald die Kinder etwas größer sind geht man wieder in Vollzeit zurück und gibt richtig Gas. So kriegt man das mit der Vereinbarkeit voll gut hin - schließlich gibt es ja Ganztags-Kitas und es gibt ja auch Führungskräfte in Teilzeit - alles möglich, alles easy!


Heute sitze ich da und schmunzle über meine Naivität. Manchmal ist es auch eher ein verzweifeltes Auflachen oder ein innerliches hysterisches frustriertes Weinen. Denn irgendwie war ich da zu leichtgläubig - irgendwie hatte ich da so ein paar Faktoren nicht berücksichtigt. Irgendwie hatte man mir da nur die halbe Geschichte erzählt, als man mir das Märchen der Vereinbarkeit vor zu lesen begonnen hat.

Denn das ist und bleibt es auch heute noch: Ein Märchen. Mit vorhersehbarem Ausgang, den obligatorischen Bösewichten, sowie festgelegten Rollen. Was fehlt ist einzig der strahlende Held auf dem weißen Gaul.


Die ersten zwei, drei Jahre als Mutter funktionierte mein Plan einigermaßen - auch wenn ich komplett unterschätzt hatte, wie stressig es ist direkt nach der “Teilzeitarbeit” in die Kinderbetreuung zu wechseln. Denn Teilzeit bedeutete für mich dennoch an vier Tagen die Woche um 16:50 Uhr - häufig mit Schweißperlen auf der Stirn und Puls beim Blick auf die Uhr - im Auto im Berufsverkehr im Stau zu stehen und zu wissen, dass die Kita doch eigentlich in zehn Minuten schließt. Manchmal auch mit verdammt drückender Blase, weil es einfach nicht mehr gereicht hatte aufs Klo zu gehen - schließlich war da noch diese eine wichtige Mail, die dringend noch rausmusste.

Selbst diese "Luxusprobleme" waren überhaupt nur möglich, weil wir in der Lotterie der Kindergartenplätze zum gewünschten Zeitpunkt einen Ganztagsplatz bekamen und unser Kind damals auch problemlos nachmittags in der Kita blieb, wenn alle anderen Kinder um 14 Uhr abgeholt wurden. Weil ich in einem Großkonzernarbeitete, bei dem es problemlos möglich war befristet in Teilzeit zu wechseln ohne Angst haben zu müssen den Job zu verlieren oder plötzlich nur noch anspruchslose Tätigkeiten aufgebrummt zu bekommen. Nach meiner Rückkehr aus der Elternzeit machte ich die selbe Arbeit wie vorher. Die Kehrseite der Medaille? Ich musste sie nun in 24 statt 35 Stunden schaffen und hatte einen fixen Zeitpunkt an dem ich den Stift fallen musste, weil die Kita schloss. Egal was kam. Niemand konnte einspringen. Ich musste da sein. Sonst gab es Probleme. Arbeiten fand also schon im Idealzustand nun plötzlich unter Dauerstrom statt. Ich hatte meine Effizienz derart nach oben geschraubt, dass oftmals noch nicht mal Zeit für ein bisschen Smalltalk blieb. Ich setzte mir Kopfhörer mit Musik auf, um nicht durch den Smalltalk der Kollegen abgelenkt zu werden. Ich wusste plötzlich, warum die Teilzeitmütter, denen ich früher begegnet war, oft so wortkarg und gehetzt waren. Sie rotierten schlicht und ergreifend und versuchten dem Unternehmen zu beweisen, dass sie immer noch die selbe Leistung brachten, während sie gleichzeitig gedanklich schon wieder auf dem Sprung waren und überlegten wie viel Zeit ihnen noch blieb bevor sie dringend losfahren mussten um ihre Kinder abzuholen.


Mein Kind wurde älter, die Umgewöhnung in den Kindergarten stand an. Glücklicherweise ging der Kelch nochmals die Einrichtung wechseln zu müssen dann doch noch an uns vorüber und die Umgewöhnung fand hausintern statt. Ansonsten wäre ein Großteil des Jahresurlaubs für die Neueingewöhnung draufgegangen. Aber hey - Vereinbarkeit ist voll möglich, schließlich gibt es ja einen Rechtsanspruch ab einem Jahr. Bei dem man sich aber nicht mal darauf verlassen kann in der gleichen Einrichtungen einen Platz beim Wechsel in den Kindergarten zu bekommen. Aber schließlich sind Kinder ja Privatvergnügen, da kann man dann schonmal seinen Urlaub investieren... Oder nicht?

Zeitgleich mit dem Wechseln von Krippe in den Kindergarten winkte Covid-19 letztes Jahr das erste Mal zaghaft um die Ecke und zwei Wochen nach der Umgewöhnung war er dann da, mein Endgegner: Der erste Lockdown mit Kita-Schließung.

"Glücklicherweise" für mich war ich nahezu die kompletten drei Monate des Kindergartenlockdowns in Kurzarbeit und konnte mich so "voller Energie" der ganztägigen Kinderbetreuung widmen. Endlich mal nicht arbeiten müssen - juhuuu!

Endlich den Garten neu gestalten, Bananenbrot backen, mal wieder häkeln und nöhen! Ach ne, das waren ja die anderen. Ich war damit beschäftig mir Überlebensstrategien einfallen zu lassen, um nicht wahnsinnig zu werden und mein Kind mit geschlossener Kinderbetreuung, Kontaktverbot und geschlossenen Spielplätzen komplett am Durchdrehen zu hindern. Mein Mann musste arbeiten - im Büro, weil, ja, weil Präsenz ist halt wichtig. Fand der Chef. Ist klar.


Danach dann wieder zaghaft zurück in eine Art Alltag: Eingeschränkter Regelbetrieb bis 14 Uhr. Später dann bis 15 Uhr. Ich atmete auf. Mein Kind auch. Zeitgleich wieder zurück in den Arbeitsalltag. Drei verpasste Monate aufholen. Die verkürzten Öffnungszeiten der Kita und die damit fehlenden zwei Stunden jeden Tag? Gingen auf Kosten meiner Freizeit und Gesundheit. Denn die Arbeitszeit musste ja trotzdem erfüllt werden. Also nun fünf Tage die Woche in der Zeit, in der das Kind in der Kita war ausschließlich arbeiten. Mein Mann? Arbeitete auch - nach wie vor in Präsenz, weil war ja wichtig. Fand der Chef.


Es kam der der Tag an dem die Kita die Öffnungszeiten bis 16 Uhr verlängerte. Ich freute mich darauf, da ich mit den Öffnungszeiten bis 15 Uhr und meiner Arbeitszeit gerade so zu Rande kam, wenn ich die Arbeitszeit nun auf fünf statt vier Tage streckte. Die Zeit für Sport, um den schmerzenden Rücken auszugleichen, die Zeit für den Wocheneinkauf oder mal fünf Minuten für mich fehlten so langsam.

Drei Tage ging es “gut”, dass mein Kind länger blieb (ich war die einzige, die die längere Betreuung in Anspruch nahm). Gut in dem Sinne, dass ich mein Kind irgendwie in den Kindergarten abgeliefert bekam.

Am vierten Tag weigerte sich mein Kind in den Kindergarten zu gehen und protestierte unter Tränen derart, dass ich sie trotz Arbeitstag und wichtiger Meetings wieder mit nach Hause nehmen musste.

Die einzige Lösung: Sie wieder mit allen anderen Kindern abzuholen. Zurück auf den Status Quo nach Corona-Lockdown.


Seither gehöre ich zu den Müttern, die um 15 Uhr ihr Kind abholen und danach zu Hauf auf dem Spielplatz stehen. An Vereinbarkeit glaube ich nicht mehr - zumindest nicht, wenn Vereinbarkeit bedeutet, dass ich als Mütter einen qualifizierten Job mit mehr als 20-Wochenstunden ausüben kann, Haushalt und Kinderbetreuung schaffe und noch so etwas wie ein wenig Zeit zum durchatmen für mich habe.

Solange es als Mutter immer noch eine Ausnahme ist mehr als nur ein “bisschen” zu arbeiten, solange es eine Ausnahme ist sein Kind länger als bis 14 oder 15 Uhr in der Betreuung zu lassen, solange die Hauptlast der Kinderbetreuung weiterhin auf den Müttern liegt und Väter gesellschaftlich gefordert, gefördert und akzeptiert fast ausschließlich Vollzeit arbeiten - solange bleibt Vereinbarkeit ein Märchen.

Leider eines ohne Happy End.


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