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Wenn ich einen Wunsch frei hätte


Wunsch, Frau mit Wunsch, Wunschdenken

Foto: Tanja Kappes


Es gibt da diese eine Frage: " Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir dann wünschen?" Ich erinnere mich noch gut an eine Szene aus einem Film meiner Jugend, in dem diese Frage allen möglichen Anwärterinnen eines Schönheitswettbewerbs gestellt wurde und die Antwort darauf war immer: "Weltfrieden". Gepaart mit einem leicht dümmlichen Lächeln. Als Zuschauer dachte man sich in diesem Moment automatisch (und das war wohl auch das Ziel): Wie naiv!


Und dennoch, wenn ich mir diese eine Frage nun selbst stelle, dann wäre meine Antwort wohl so etwas ähnliches wie Weltfrieden: Ich würde mir wünschen, dass wir alle einander zugewandter werden und zunächst mal das Gute in unserem Gegenüber sehen. Ähnlich naiv und utopisch, wie sich den Weltfrieden zu wünschen? Vielleicht.


Was das nun bitte alles mit einem Mutterblog zu tun hat, fragst du dich?


Seit ich Mama bin wünsche ich mir umso mehr eine bessere Welt - für meine Tochter. Ich wünsche mir, dass wir Menschen das Beste aus uns herausholen und verzweifle oft innerlich daran, wenn in mir mal wieder das Gefühl emporkocht, dass unsere Welt sich scheinbar viel mehr in eine andere Richtung entwickelt. Verzweifle manchmal auch an meinen eigenen negativen Tendenzen und Gefühlen.


Seit ich Mama bin nehme ich den Neid, die Missgunst und das gegenseitige Kritisieren noch einmal viel deutlicher wahr. Denn wenn es ein Thema gibt, das genau diese drei Dinge befeuert, dann ist es das Eltern Sein und wie von uns allen damit umgegangen wird. Nur in wenig anderen Bereichen tun sich so tiefe Gräben zwischen uns Menschen auf, als in der Frage der richtigen Kindererziehung.


Wir tun uns unheimlich schwer damit uns in Toleranz zu üben, bei Themen, die uns emotional nahe gehen. Verständlich einerseits, denn logischerweise ist es uns bei diesen uns emotional nahegehenden Themen umso wichtiger "das Richtige" zu tun und zu denken. Wir brauchen diese Gefühl für die Selbstbestätigung, die wir heute umso dringender nötig zu haben scheinen, da wir so wenig Bestätigung und Wertschätzung von außen, von der Gesellschaft bekommen.


Das Dumme an der Sache ist nur: Damit entspinnt sich ein Teufelskreislauf. Denn wer ist denn dieses mysteriöse "Außen", die "Gesellschaft"? Das sind wir selbst!


Wir leben heute hochindividualisiert. Hört sich hochgestochen an - bedeutet letztendlich aber nur eines: Es gibt nicht mehr den einen richtigen Weg, das Leben ist unheimlich viel komplexer geworden und statt schwarz und weiß / richtig und falsch gibt es in den allermeisten Fällen plötzlich ganz viele Graustufen und Facetten dazwischen. Das verwirrt uns Menschen und macht uns manchmal vielleicht auch ein wenig Angst.


Wir Menschen suchen in unserem Leben zudem unterschwellig ständig nach Sinn und Wertschätzung, nach Bestätigung. Gleichzeitig sind wir aber zunehmend jeder mit uns selbst beschäftigt den für uns richtigen Weg zu finden und das Gemeinschaftsgefühl, das "soziale Dorf" und die gegenseitige Beachtung nehmen immer weiter ab. Wir haben also kaum eine Chance mehr einfach so von außen Wertschätzung zu erlangen. Einfach dafür, dass wir sind. Wir müssen dafür in unserer Gesellschaft schon etwas leisten.


Bestätigung und Selbstwertgefühl holen wir uns also vor allem aus uns selbst. Daraus, dass wir etwas leisten, etwas besonders gut können oder machen. Und da kommen wir wieder zu den emotionalen Themen, die uns hierbei besonders triggern. Wir wollen uns bestätigt fühlen, dass wir wertvoll sind, dass wir " es richtig machen". Also kann in logischer Konsequenz besonders bei den emotionalen Themen (ob nun Elternschaft, Religion, Politik...) nur unser Weg der Richtige sein - und alle anderen sind falsch.


Die gegenseitige Toleranz, die wir uns selbst in anderen Bereichen so sehr wünschen, haben wir damit leider flugs nebenher selbst ermordet. Wir schaufeln uns quasi unser eigenes Grab, indem wir auf unseren "den einzig richtigen Weg" beharren. Denn wenn das jeder für sich tut - dann schaffen wir damit genau die Gesellschaft, die einander keine Wertschätzung und Bestätigung von außen mehr entgegenbringt und befeuern das Problem nur noch. Die Spirale dreht sich immer schneller und der Teufelskreislauf beginnt von vorne: Fehlende Wertschätzung von außen führt zu mehr Bedarf an Eigenbestätigung führt zum Verlust von Toleranz gegenüber anderen Vorgehensweisen und Lebensmodellen.


Daher wäre mein "einer" Wunsch, dass wir alle einander wieder zugewandter werden und zunächst mal das Gute in unserem Gegenüber sehen:


In den allermeisten Fällen eint uns Eltern doch eines: Wir wollen das Beste für unsere Kinder. Wir wollen eine bessere Welt für sie. Und wir würden unser letztes Hemd dafür geben, dass es ihnen gut geht.


Egal, ob wir im Familienbett schlafen oder nicht.

Egal, ob wir unerzogen leben oder nicht.

Egal, ob wir uns vegan, zuckerfrei, bio etc. ernähren oder nicht.

Egal, ob wir Öko-Klamotten tragen oder die aus dem Discounter.


Egal, ob wir persönlich es anders machen als die Mutter/der Vater uns gegenüber. Wir können den ersten Schritt tun: Offen bleiben. Einander zugewandt. Uns austauschen. Uns gegenseitig wertschätzen und feiern, für das was wir jeden Tag leisten. Das ruhig auch mal gegenseitig aussprechen.


Wenn nur genug von uns das immer und immer wieder versuchen, dann können wir diesen Teufelskreislauf eines Tages vielleicht unterbrechen. Und unseren Kindern eine bessere Welt erschaffen. Weil wir gelernt haben, dass es nicht nur den einen richtigen Weg gibt. Weil wir gelernt haben mit der Unsicherheit unserer Entscheidungen zu leben. Weil wir wissen, dass es mehr bringt miteinander in den Dialog zu gehen, als zu verurteilen. Und weil wir dies unseren Kindern vorgelebt und mitgegeben haben - und die es dann eines Tages hoffentlich besser machen als wir bisher.


Alles in allem wünsche ich mir also doch in irgendeiner Form auch Weltfrieden. Ob das nun naiv ist oder nicht - das wird sich zeigen.




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