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  • AutorenbildEveline

"Aber wenn es dich einmal anlächelt! "

Wer hat ihn nicht schonmal gehört diesen Satz. Und bevor ich Kinder hatte, da klang er für mich irgendwie wie ein Versprechen: Egal wie hart es werden würde - die Liebe zu meinem Kind würde es ausgleichen. Sie würde mir helfen alle Schwierigkeiten zu überstehen und die schlimmen Dinge, vielleicht sogar ein wenig weniger schlimm zu finden.



Dann wurde ich vor etwas mehr als sechs Jahren Mutter und plötzlich klang "Aber wenn es dich einmal anlächelt!" gar nicht mehr so vielversprechend. Ganz im Gegenteil. Ich fühlte mich verhöhnt, jedes Mal wenn jemand mir gegenüber diesen Satz zum Besten gab. Denn wenn mein Kind mich anlächelte, dann war NICHTS aber auch rein GAR NICHTS plötzlich wieder gut.


Die erste Zeit nach der Geburt meiner Tochter war hart für mich.


Knüppelhart um genau zu sein. Eine ungute Kombination aus zu viel und gleichzeitig zu wenig, die mir übel werden ließ: Zu viel Verantwortung, zu viel Geschrei, zu viel Berührung. Zu wenig Freiraum, zu wenig Schlaf und generell zu wenig ICH. Ich vegetierte nur noch vor mich hin, kämpfte mich von einem Tag zum nächsten in der Hoffnung darauf, dass es bald besser werden würde. Seliges Wochenbett? Pfft - nichts da!

Und jedes Mal, wenn ich dann " Aber wenn es dich einmal anlächelt!" hörte oder an diesen Satz auch nur denken musste, dann fühlte ich mich als Versagerin. Denn bei mir war da eben kein Feuerwerk der Gefühle, keine Erleuchtung, kein Gefühl von Sinnhaftigkeit. Da waren nur bleierne Müdigkeit, Verzweiflung, Wut, Trauer und ja sicher - ein leises, warmes Gefühl von Zärtlichkeit, das war da auch. Aber dieses leise, warme Gefühl von Zärtlichkeit - das wog eben nicht all die anderen negativen Aspekte meines neuen Lebens auf. Es war herzerwärmend und für einen Moment war vielleicht alles gut - aber kurz darauf holte mich jedesmal aufs Neue meine neue Realität wieder ein. Und ich - ich dachte irgendwas sei bei mir kaputt. Weil der Satz für mich so gar nicht funktionierte.

Ich habe letztlich bald fünf Jahre gebraucht, bis ich endlich ohne schlechtes Gewissen sagen konnte:


“Auch wenn es mich anlächelt: Einen Scheiß ist es!”


Ein Lächeln meines Kindes hat für mich nicht die Macht, die Waagschale plötzlich und dauerhaft ins Positive zu reißen. Es ist zauberhaft, es ist herzerwärmend, es ist niedlich - aber es ist nicht die allmächtige Waffe, die jegliches negative Gefühl in Luft auflöst. Und das ist ok so!


Denn seien wir mal ehrlich - wie toxisch und bescheuert ist dieser Satz denn eigentlich im Grunde? Würden wir diesen Satz jemals in irgendeinem anderen Kontext mit einem guten Gefühl verwenden? Würden wir ernsthaft jemandem, der seine alten Eltern betreut oder kranke Angehörige pflegt ins Gesicht schleudern: "Aber wenn sie dich dann einmal anlächeln - dann sind doch alle Mühen vergessen nicht?" Wohl kaum. Und ja - mir ist wohl bewusst, dass der Vergleich ein wenig hinkt und wir auch mit der Wertschätzung dieses Teils der Carearbeit massive Probleme haben. Genauso wie mir klar ist, dass entgegengebrachte Dankbarkeit sicherlich eine Art von Ausgleich sein kann. Dass sie einem ein Gefühl von Sinnhaftigkeit vermitteln kann. Aber niemand, wirklich niemand, würde in diesem Kontext erwarten, dass die sich kümmernde & pflegende Person nur dank eines Lächelns plötzlich SÄMTLICHE Mühen vergisst. Das ist scheinbar nur bei Babys und deren Müttern so.


Was so nett und aufmunternd klingt


ist in Wahrheit eigentlich eine fiese Klatsche mitten ins Gesicht. Denn wenn wir mal darüber nachdenken, was hinter dieser Aussage steckt, dann wird relativ schnell klar, welch hässlicher Glaubenssatz sich hier ganz ungeniert breitmacht: Unterschwellig schwingt dabei nämlich mit, dass wir Mütter auf eine gewisse Art wohl plötzlich weniger Ansprüche ans Leben haben sollen. Dass ein Lächeln unseres Kindes für uns - jetzt da wir Mutter sind - ausreichen muss, um jegliche Mühen, alle negativen Gefühle und all das was wir aufgegeben haben und um das wir vielleicht trauern, zu vergessen und fortan auf der Insel der Glückseligen zu wohnen. Scheiß auf Selbstverwirklichung, scheiß auf eigene Bedürfnisse - es lächelt dich doch an! Sei verdammt noch mal glücklich und zufrieden - du bist jetzt Mutter!

Damit wird unseren Gefühlen jegliche Ernsthaftigkeit und Schwere abgesprochen. Ein einziges Lächeln, es macht pling und "Mutti" hat plötzlich eine komplette Amnesie und alles vergessen, was sie vorher belastet hat - ja ne, ist klar. Schließlich haben wir ja unser eigenes Leben und unsere Wünsche dankend und freudig im Tausch für unser Kind abgegeben. Und unsere Individualität und unsere Persönlichkeit gleich mit!?

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