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  • AutorenbildEveline

Die Sache mit den Äpfeln und Birnen

Aktualisiert: 30. Nov. 2020



"Du vergleichst da Äpfel mit Birnen!"


Sagen wir, wenn wir andeuten wollen, dass zwei Dinge eigentlich nicht miteinander vergleichbar sind.

Für viele scheint dieser Spruch auch zuzutreffen, wenn sie mit #regrettingmotherhood konfrontiert werden.


Reue wird in unserer Gesellschaft an und für sich akzeptiert, ja oftmals als Zeichen von Stärke und Vernunft wahrgenommen. Wenn ich etwas bereue, dann habe ich über das Geschehene nachgedacht, ich habe mich und mein Verhalten reflektiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich hätte anders handeln sollen. Ich zeige damit, dass ich in der Lage bin mich und meine Entscheidungen zu hinterfragen.

Dass ich erkenne, wenn ich Fehler gemacht habe, dass ich einen inneren Kompass habe, der mir anzeigt, wenn ich "falsch" gehandelt habe: Alles positive Eigenschaften, denn sie zeigen ja, dass wir lernfähig sind, dass wir nicht auf dem hohen Ross sitzen und uns für perfekt halten. Dass wir menschlich sind.


Nur dann, wenn es darum geht das Mutter werden zu bereuen, dann gelten diese Regeln plötzlich nicht mehr. Sie verkehren sich sogar ins Gegenteil.


Dass ich es bereue ein Kind bekommen zu haben, macht mich in den Augen vieler plötzlich zu einem schlechteren Menschen. Reue wird hier auf einmal negativ wahrgenommen.

Dass ich mich reflektiert habe, dass ich mir damit eingestehe nicht perfekt zu sein, dass ich lernfähig bin, indem ich entscheide, nicht noch ein Kind zu bekommen oder meine Erkenntnisse zu nutzen um unser aller Situation zu verbessern? Irrelevant.

Reue macht mich in den Augen vieler plötzlich nun nicht menschlicher - nein im Gegenteil, sie macht mich unmenschlicher.


Weil man das nicht sagt.

Weil mir auf einmal unterstellt wird, ich würde mein Kind nicht wollen, es nicht lieben oder ich würde wollen, dass es verschwindet.

Weil man plötzlich beginnt in diese Reue ganz andere Gefühle zu interpretieren.

Weil man sie größer macht, als sie ist.


Orna Dornath stellt in ihre Studie die in meinen Augen richtige Frage zur Reue:

"Wenn Reue in der Rückschau theoretisch jeden Lebensbereich, jede menschliche Beziehung und jede Entscheidung berühren kann, wieso dann nicht auch die Mutterschaft?"


In meinen Augen ist die Antwort hierauf ganz einfach: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.


So einfach das jetzt klingt, so komplex sind die Gründe:

Weil wir in einem gesellschaftlichen Konstrukt aufwachsen.

Weil wir in diesem Konstrukt gewisse Vorstellungen, Werte und Bilder vermittelt bekommen (was per se nicht schlecht ist).

Sobald diese Vorstellungen und Bilder aber so fest zementiert sind, dass es zum Tabu wird sie zu hinterfragen oder von ihnen auch nur ein wenig abzuweichen, dann fangen die Probleme an.


Wir haben in unserer Gesellschaft ein unvorstellbar hohes Mutterideal. Mutterschaft wird zum Lebenssinn und Zweck einer jeden Frau verklärt. Es fühlt sich manchmal so an, als könnten wir nur vollständig sein, wenn wir Mutter werden.


Mutterschaft nicht als DIE Erfüllung zu empfinden, ja sie sogar zu bereuen, würde an dem gesellschaftlich fest verankerten Bild, dass Mutter sein das Natürlichste und Erfüllendste auf der Welt für alle Frauen ist, gewaltig rütteln. Es würde aus einer einfachen, logischen Abfolge von Handlungen (man wird erwachsen, findet den Mann fürs Leben, heiratet und gründet eine Familie) etwas Komplexes und höchst Individuelles machen. Eine komplett freie, persönliche Entscheidung, abhängig von unendlich vielen Faktoren.

Und das verwirrt und überfordert viele.


Was genau passieren würde, wenn wir diesen Muttermythos niederreißen würden, kann keiner so richtig sagen. Würden weniger Kinder geboren werden? Würden mehr Frauen so lange überlegen, was die richtige Entscheidung ist, bis die Natur ihnen die Entscheidung abnimmt? Oder wären Frauen besser informiert bevor sie ihre Entscheidung treffen, sodass #regrettingmoterhood plötzlich kaum noch vorkäme? Alles drei? Nichts davon? Ganz was anderes?


Wer weiß das schon.


Was ganz sicher passieren würde, wäre, dass mehr Frauen sich trauen würden über diese Reue zu sprechen. Dass in der Wahrnehmung der Gesellschaft plötzlich nicht mehr Äpfel mit Birnen verglichen werden. Dass die Reue Mutter geworden zu sein aus der dunklen Ecke des Tabus, des Widernatürlichen geholt werden würde. Vor allem aber: Dass die Last bei den betroffenen Müttern sinken würde.


Und allein das ist es wert dafür zu kämpfen.




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