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  • AutorenbildEveline

Elternmythen


Auf meinem Instagramkanal ist diese Woche eine Themenwoche zu Ende gegangen zum Thema Elternmythen. Ich habe mich zusammen mit anderen Profilen an zehn Tagen jeweils einem Mythos gewidmet und auseinandergenommen was daran falsch ist. Während wir in der Gruppe so diskutierten kam ein Thema in mir auf, dass mich seither nicht mehr losgelassen hat. Deshalb möchte ich es zum Anlass nehmen, mal wieder einen Blogpost abzusetzen.

Es geht um einen weiteren Glaubenssatz/ Elternmythos der sicher schon vielen um die Ohren geflogen kam - zwar immer in leicht abgewandelter Form, aber im Kern immer mit der gleichen Aussage.

Welcher das ist? Ich bin sicher, ihr werdet es gleich erkennen. Ich fange einfach mal an zu erzählen, wie und wann ich auf ihn getroffen bin:


Es war irgendwann im letzten Jahr bei der Kinderärztin: Im Gespräch kamen wir beiläufig darauf, dass unsere Tochter - damals etwas über drei Jahre alt - noch bei uns im Elternschlafzimmer im Familienbett schläft. Was dann passierte, könnt ihr euch vermutlich denken.

Noch bevor ich zu Ende gesprochen hatte, sah ich wie bei meinem Gegenüber die Augenbrauen in die Höhe schossen und ich wurde mit mahnender Stimme belehrt: “Da wird es jetzt aber höchste Eisenbahn, dass sie diesen Zustand beenden! Das Kind muss dringend lernen im eigenen Bett und Zimmer zu schlafen, schließlich muss sie lernen selbstständiger zu werden. So wird das mit der Abnabelung von der Mama ja nichts! Sonst wird sie später Probleme bekommen, wenn sie dann in die Schule geht!”


RUMMS! War ja klar.


Ich saß damals da und überlegte wie ich reagieren soll. Laut auflachen? Die Augen verdrehen und fragen, ob sie das jetzt wirklich ernst meint? Es ratterte in meinem Kopf und eine mögliche Antwort nach der anderen ploppte auf. Falls ihr also auch jemals in die Verlegenheit kommt, ich hätte da ein paar passende Antworten für euch:


Antwortmöglichkeit 1 (die konstruktive Version inklusive Rechtfertigung):

“Vielen Dank aber ICH kenne mein Kind schon über drei Jahre und begleite sie täglich im Leben. Ich fühle genau, dass es eben diese Sicherheit ist, die das Familienbett und viele andere Rituale ihr geben, die dafür sorgen, dass sie so wunderbar aufgeschlossen durch die Welt geht.

Antwortmöglichkeit 2 (die sachliche Version, ein bisschen auf “Krawall” gebürstet):

“Das sehe ich anders. Sie ist sehr wohl selbstständig und eigenständig und zeigt mir das jeden Tag aufs neue. So manches Mal treibt sie mich auch genau damit in den Wahnsinn. Also danke nein - kein Bedarf”

Antwortmöglichkeit 3 (für die ganz Unverschämten oder um mal ordentlich Dampf abzulassen):

“Aber sonst geht’s noch oder? Ist es nicht ein wenig albern zu glauben ein dreijähriges Kind müsste das JETZT lernen, damit es in weiteren drei Jahren dann in der Schule selbstständig ist ? Immerhin liegen bis zur Einschulung noch genau so viele Jahre vor uns wie hinter uns. Bisher hat es sich ja noch ganz gut von selbst entwickelt!”

Aber zurück zur Geschichte: Während diese und noch weitere Antwortmöglichkeiten so fröhlich in meinem Gehirn vor sich hin und her aufploppten, konnte ich mich nicht entscheiden welche davon ich wählen sollte.

Am Ende habe ich es dann auch einfach gelassen. Habe hübsch harmlos gelächelt und mir meinen Teil gedacht. Zum einen weil mein Kind neben mir saß. Zum anderen weil ich instinktiv wusste: Bringt ja sowieso nix. Die überzeugst gerade DU sicher auch nicht mehr vom Gegenteil. Glücklicherweise war ich zu dem Zeitpunkt schon gefestigt genug in meiner Mutterrolle und legte den “Ratschlag” einfach unter “Blödsinn” ab. Eingebrannt hat sich die Szene in meinem Gehirn trotzdem.


Denn das Trauerspiel daran ist, dass Menschen wie unsere Kinderärztin und andere “Experten” eben häufig in der Position sind zu viele Menschen mit solchen Aussagen zu verunsichern. Weil da eben nicht nur ich sitze und solch veralteten Bockmist vor den Latz geknallt kriege sondern eben auch jede Menge andere Eltern, die nicht so immun gegen Ratschläge von außen sind und erstmal alles hinterfragen. Die sogenannten Respekts- und Autoritätspersonen per se erst mal glauben - denn schließlich sind die ja Experten und müssen es ja wissen. Und daran ist an und für sich auch nichts falsch - denn wo kämen wir hin, wenn wir immer nur meinen, wir wüssten es selber immer besser? Es gibt nicht ohne Grund Menschen die für gewisse Themengebiete jahrelang studiert haben.

Gleichzeitig liegt eben genau da auch der Haken: Sie haben irgendwann einmal studiert und sich ausbilden lassen. Aber: Je nach Alter kann das schon gute 30-40 Jahre her sein. Und danach? Danach passiert viel zu oft nichts mehr.


Es ist das System das krankt. Ein System in dem veraltete Weisheiten weiterverbreitet werden, weil niemand vom Fachpersonal gezwungen wird sich stets auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu halten und sich mit neuen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. Ein System das somit dafür sorgt, dass dieser veraltete Kackmist immer und immer wieder weitergegeben wird an die nächste Generation und dadurch viel länger am Leben bleibt, als es uns allen gut tut. Ja, es gibt viele Kinderärzte/-innen und anderes Fachpersonal, das sich aus eigenem Antrieb mit dem neusten Stand der Wissenschaft auseinandersetzt - aber eben bei weitem nicht alle. Oft vermutlich auch ohne böse Absicht sondern aus den gleichen banalen Gründen, warum wir auch manchmal in Starre verharren: Weil die Zeit fehlt, weil der Kopf schon übervoll ist, weil man gerade einfach keine Lust hat oder man erstmal keine Notwendigkeit sieht.


Aus all diesen Gründen sitzen in immer noch zu vielen Köpfen Überzeugungen fest, die geprägt sind von der Ideologie des Nationalsozialismus, von veralteten Erziehungsmodellen und von Glaubenssätzen aus dem letzten Jahrhundert. Und das nervt. Vielmehr noch: Es schadet.

Es schadet Kindern, deren Eltern sich aufgrund solcher Ratschläge dazu entscheiden, dass das Kind nun endlich “lernen” muss selbstständig zu werden und es mit brachialer Gewalt dazu zwingen wollen. Es schadet aber auch den Eltern, die damit die Chance auf eine gute Beziehung und Bindung zu ihrem Kind vertun und darunter irgendwann einmal vielleicht leiden werden. Die gegen ihr Bauchgefühl handeln, weil ja stimmen muss was der Arzt sagt und sich deshalb schlecht fühlen. Die verunsichert werden und nicht mehr wissen auf was und wen sie hören sollen. Die Experten, die inneren Glaubenssätze, das Bauchgefühl?

Und das alles aus einer Angst getrieben heraus, dass die Kinder nicht von selbst groß werden, wenn man sie nicht dazu zwingt. Dass man ihnen also erklären muss, wie das geht mit der Selbstständigkeit.


Ich finde: Muss man nicht. Man muss sie nur lassen, dann machen die das ganz von allein. Dann wenn sie sich sicher fühlen. Dann, wenn sie soweit sind.


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